Hier eine Mail aus der Betreuungsliste der Ruhr-Uni Bochum:
Liebe Listlinge,
als Reaktion auf die skandalbezogene Berichterstattung über das Betreuungswesen, vor wenigen Wochen auch im Nürnberger Raum, haben wir von der Erlanger Betreuerinitiative Kontakt mit dem Redakteur des "Sozialratgebers" der Nürnberger Nachrichten aufgenommen. Heute erschien das Resultat:
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Nürnberger Nachrichten vom 26.07.06, Seite 25:
Manager für den Notfall
Berufsbetreuer können in schwierigen Lagen helfen
Für Schlagzeilen sind sie immer gut: Wenn verwirrte und wehrlose Menschen um ihr Vermögen geprellt werden, dann ist oft auch von Betreuern die Rede, die zu Ungunsten ihres Schutzbefohlenen gehandelt haben. In den meisten Fällen ist die Einsetzung eines professionellen Betreuers aber für den Betroffenen wie für seine Familie eine große Hilfe.
Maria Hassler strahlt. „Ich betreue einen Mann, der 20 Jahre auf der Straße gelebt hat, alkoholabhängig war und nach einer Kur seit drei Jahren problemlos in seiner eigenen Wohnung lebt.“ Es sind kleine Glücksmomente wie diese, die Hassler an ihrem Beruf mag. Auch wenn sie selten sind.
Die Erlanger Sozialpädagogin ist eine so genannte Berufsbetreuerin. Sie und ihre Kollegen kommen immer dann ins Spiel, wenn ein Mensch Teile seiner täglichen Rechtsgeschäfte nicht mehr selbstständig erledigen kann — aber nur wenn es niemanden gibt, der den Betroffenen ehrenamtlich betreuen kann, beispielsweise ein Familienangehöriger.
Etwa 30 Prozent aller Betreuungsfälle werden von Profis wie Hassler erledigt. Unter den Berufsbetreuern finden sich viele Sozialpädagogen, aber auch Rechtsanwälte und Pädagogen, die immer von Gericht bestellt werden müssen. Wer von vorneherein ausschließen möchte, von einem Verwandten betreut zu werden, der kann in einer Vorsorgevollmacht oder Betreuungsverfügung bestimmen, dass ein Berufsbetreuer im Fall des Falles einspringen soll. Eine Liste mit den externen Beratern bekommt man bei den so genannten Betreuungsstellen, die bei den jeweiligen Jugendämtern angesiedelt sind.
Klare Definition
Im Gegensatz zur früheren Vormundschaft wird von den Gerichten klar für jeden Einzelfall definiert, auf welchem Rechtsgebiet der Betroffene Hilfe
braucht: Ein Betreuer kann also beispielsweise für die Vertretung seines Mandanten gegenüber den Behörden und für die Vermögenssorge zuständig sein, nicht aber für Gesundheitsfragen und Wohnungsangelegenheiten.
„Wir übernehmen nicht alle Aufgaben, sondern gewähren unseren Kunden so viele Freiheiten wie möglich“, beschreibt Rechtsanwalt Till Richter, der ebenfalls als Betreuer arbeitet, seine Tätigkeit. Mit pflegerischen oder gar medizinischen Aufgaben haben die Berufsbetreuer hingegen nichts zu tun. „Wir sind weder für hauswirtschaftliche Tätigkeiten, noch für den Einkauf zuständig“, erklärt Betreuer Joseph Rammig, „ wir sind die Manager der Betreuten“. Und die verwalten beispielsweise, sofern sie die Vermögenssorge für ihren Kunden haben, das Geld des Betreuten und stellen es zur Verfügung, damit eine hauswirtschaftliche Hilfe oder die Einkäufe bezahlt werden können.
Zank ums Geld
Dass das Geld des Betreuten in vielen Fällen eine große Rolle spielt, hat allerdings andere Gründe. Immer wieder werden Berufsbetreuer eingesetzt, weil das Gericht den Eindruck hat, dass den betreuenden Angehörigen ihr Erbe wichtiger ist als das Wohl ihres Verwandten. „Wir hingegen sind dem Betreuten verpflichtet und nicht den Erben“, erklärt Ralf Radzuweit, Betreuer in Erlangen.
Gesetzlich, so Till Richter, seien die Betreuer dazu angehalten, den Wünschen ihrer Mandanten, wo immer es möglich ist, nachzukommen. Konflikte mit den Verwandten seien da oft programmiert, gibt Richter zu. „Aber wenn der Betreute ein Unterbringung in einem luxuriösen Altenheim will und es sich leisten kann, sind die Wünsche der Erben zweitrangig.“
Aber sind auch die Betreuer immun gegen die Verlockungen des Geldes, das sie im Auftrag ihrer Mandanten verwalten? „Nach dem Motto ,Jetzt unterschreiben sie mal hier‘ und dann ist der Betroffene um Hab und Gut gebracht, läuft es nicht“, meint Radzuweit. Alle größeren Finanzgeschäfte, die der Betreuer vornimmt, müssten vom Gericht genehmigt werden. Besonders streng sei die Prüfung bei Grundstücksgeschäften, in denen auch der Notar sein Zustimmung geben müsse. Maria Hassler musste sogar schon einmal bei einer besonders vermögenden Dame, die sie betreute, mit einem vom Gericht bestellten Gegenbetreuer zusammenarbeiten, der alle Geschäfte kontrollierte.
Dass es dennoch schwarze Schafe in der Branche gibt und manchmal alle Kontrollmechanismen versagen, leugnen allerdings auch die Erlanger Betreuer nicht. In solchen Fällen könne sich jeder Bürger, egal ob Verwandter oder Nachbar, an das zuständige Familiengericht wenden und die Justiz auf die beobachteten Missstände hinweisen.
Probleme mit den Betreuten oder ihren Angehörigen seien allerdings die Ausnahme, meint Ralf Radzuweit: „Oft bekommen wir große Dankbarkeit zu spüren.“ Gerade bei Sucht- oder psychisch Kranken, wo die Familie häufig unter enormem Leidensdruck stehe und mit der Betreuung überfordert sei, könne ein externer Berater helfen. „Unsere Distanz zu dem Fall erleichtert die Arbeit, und die Familie stabilisiert sich wieder, wenn das Problem kanalisiert wird.“
Gesetzliche Pauschale
Kostenlos, wie es Familienangehörige tun, können die Berufsbetreuer allerdings nicht arbeiten. Im Gesetz ist genau geregelt, dass für jeden Betreuungsfall eine Pauschale fällig wird, die bis zu 3630 Euro im Jahr beträgt. Eine detaillierte Einzelabrechnung, beispielsweise nach Stundensätzen, gibt es nicht. Das ärgert vor allem Betreute, denen mit wenig Aufwand geholfen werden kann und die sich manchmal fragen, wofür sie so viel Geld ausgeben müssen.
Aber auch die Berufsbetreuer sind nicht immer glücklich mit der Regelung.
Sie ärgert vor allem, dass ihnen der Gesetzgeber keine Aufstockung der Pauschale genehmigt, obwohl aus ihr im kommenden Jahr eine um drei Prozentpunkte höhere Mehrwertsteuer bezahlt werden muss. Etwa 40 bis 50 Fälle braucht ein Berufsbetreuer, um über die Runde zu kommen. Ab dem kommenden Jahr werden es wegen der Steuererhöhung wohl drei oder vier mehr sein, kalkuliert Radzuweit. „Dass dabei weniger Zeit für den einzelnen Klienten übrig bleibt, liegt auf der Hand.“
Informationen im Internet:
www.betreuerlexikon.de